Gegen das Vergessen
Gunther Demnig hat neue Stolpersteine in Coburg verlegt
Stolpersteine erinnern an die Opfer der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten. Messingplatten, die sich deutlich vom Untergrund abheben und die uns heute erinnern sollen, dass mitten in Coburg Menschen gelebt haben, die ihre Stadt verlassen durch Verhaftung, Vertreibung oder Flucht verlassen mussten.
Die Steine halten die Menschen heute dazu an, kurz innezuhalten und sich dieses schrecklichen Teils der deutschen Geschichte bewusst zu werden. Vor Kurzem hat Gunter Demnig, der Initiator des Projekts, sechs neue Steine und eine Stolperschwelle in Coburg verlegt.
„Ich sage in alle Deutlichkeit: Nie wieder dürfen Hass und Krieg zu einem Mittel der Politik in Europa, Deutschland und bei uns vor Ort werden. Nie wieder. Und dieses Nie Wieder ist heute wichtiger denn je. Denn wir müssen mit größter Sorge beobachten, wie rechte Kräfte unter Nutzung alle Möglichkeiten unserer Demokratie die dunkle Seite unserer Geschichte relativieren und in ihrem Sinne umzudeuten versuchen. Wehret den Anfängen“, sagte Oberbürgermeister Dominik Sauerteig während der feierlichen Verlegung der Stolpersteine. Gemeinsam mit 3. Bürgermeister Thomas Nowak dankte er den Patinnen und Paten. Gaby Schuller hat akribisch die Lebensläufe der sechs Coburgerinnen und Coburger recherchiert und die Lebensläufe aufgeschrieben. Hier gibt es die Lebenswege zum Nachlesen.
Die Stolpersteine werden jeweils vor dem Haus verlegt, in dem die Menschen zuletzt gelebt oder gewirkt haben. In der Raststraße 6 lebte bis 1938 die jüdische Familie Wertheimer, bis sie nach Argentinien auswanderte, weil das Leben in der ersten nationasozialistischen Stadt unerträglich wurde. Nun erinnern dort Stolpersteine an Elsa Wertheimer (Pate Mario Levy, ein Nachfahre aus Israel), Nathan Wertheimer (Pate George Levy, ein Nachfahre aus Israel), Edith Wertheimer (Nachfahrin aus Argentinien).
In der Löwenstraße 23 lebte Meta Frankenberg. Für ihren Stolperstein hat Gabriele Schuller die Patenschaft übernommen. Meta Frankeberg musste in ihrem Leben viele Schicksalsschläge hinnehmen, unter andere fiel ihr Sohn Arthur als Soldat im Ersten Weltkrieg, er trug das Eiserne Kreuz II. Klasse. Meta Frankenberg verlor den Halt im Leben und wurde in die Heil- und Pflegeanstalt in Kutzenberg eingewiesen – Ihre Tochter Else hielt den Kontakt zur Mutter aufrecht, bis 1938 die Lage immer bedrohlicher wurde und sie nach Argentinien ausreisen musste.
Mit Kriegsbeginn 1939 war entschieden worden, unheilbar kranken Menschen den „Gnadentod“ zu gewähren – ein groß angelegtes Euthanasieprogramm. Meta Frankenberg wurde nach Hartheim bei Linz verlegt – und dort ermordet.
In der Victoriastraße 1 erinnert nun ein Stolperstein an Milton Wertheimer. Die Patenschaft hat Pam Wertheimer aus den USA übernommen. Die Einträge auf seiner Meldekarte belegen, dass der Kaufmann zwischen Coburg und Bremen pendelte und sich 1933 in Dessau aufhielt. Wie lange er dort bliebt, ist nicht bekannt. Das nächste Lebenszeichen findet sich in Holland, wo er seit 1936 lebte.
Am 21. März 1943 wird er aufgegriffen und in das Ghetto Theriensienstadt gebracht. Im Oktober 1944 wird er nach Auschwitz deportiert und ermordet.
In der Hohe Straße 30 erinnert ein Stolperstein an Bella Wertheimer, die Ehefrau von Milton Wertheimer. Auch für ihn hat Pam Wertheimer die Patenschaft übernommen. Sie bliebt in Deutschland und war seit 1934 in der Hohe Straße gemeldet. Ihr Arbeitgeber: Der Prediger Hirsch, der dort eine private Volksschule unterhielt und vielen Juden eine Zuflucht bot. Die Schule wurde 1938 geschlossen.
Bella Wertheimer pendelte danach zwischen Marisfeld und Meiningen. Nirgendwo konnte sie lange bleiben. Am 10 Mai 1942 wird sie in das Ghetto Belzyce deportiert, dort verliert sich ihre Spur.
An die private Volksschule des Predigers Hirsch erinnert nun eine Stolperschwelle. Sie wurde im Gedenken an die Schüler und Lehrer verlegt, die dort Zuflucht gefunden hatten. Die Patenschaft für die Stolperschwelle haben übernommen: Stefan Fey, Katrin und Stefan Schwuchow, Nele Gramß, Markus Linke, Günther Troll, Ursula Herpich, Susanne Zech und das Coburger Tageblatt.